Sprungziele

In Enhofen entsteht das Isenkraftwerk

Geht man beim Gasthof „Isensee“, also beim „Schatz“, den Berg nach Enhofen hinunter, erblickt man nach dem Bahnübergang und einer kleinen Gruppe von Bauernhäusern im Tal unten am Aubach ein Gebäude, dessen Funktion sich einem nicht auf Anhieb erschließt: „ein mächtiger Hausstock mit behäbig gekröpftem roten Schindelwalmdach und hohen Fenstern, umfriedet von einer übermannshohen Buchenhecke und gleichsam beschirmt von einer riesigen Lärche, im Süden begrenzt durch den Aubach.“

Dass es sich dabei um ein Elektrizitätswerk handelt, erkennt man nicht gleich, so gut ist es in die Landschaft eingepasst.

Um 1900 hatte die Elektrizität schon Eingang ins tägliche Leben gefunden. Entlang der Isen betrieben fortschrittliche „Mahlmühlen und Schneidsägen“-Besitzer wie Josef Seemann in Aufham oder Georg Viellehner in Winhöring, private Generatoren zur Stromerzeugung, in Altötting und Mühldorf erstrahlten die Lampen elektrisch, Zeitungen wurden mit elektrischer Kraft (Elektromotoren) gedruckt.

Im Jahr 1898 waren in Mühldorf die Stadtwerke gegründet worden. Im darauf folgenden Jahrzehnt stieg der Stromverbrauch immer schneller an, man konnte schließlich die Nachfrage nicht mehr decken. Inzwischen hatten in Töging die Arbeiten zum Bau des Innwerks begonnen, möglich gemacht durch den aus dem Inn bei Jettenbach abgeleiteten Kanal.

Also entschloss sich Mühldorf 1921 zum Bau. Aber wo und wie konnte man die Isen aufstauen, wo doch gerade bei der Isen der Unterschied im Wasserstand bei dem Niederschlags- und Einzugsgebiet von 580 km2 zur Zeit der Trockenheit auf 2,5 m3/sec. sank und bei Hochwasser bis zu 200 m3/sec. anstieg? Am besten im Gebiet der Gemeinde Winhöring.

Man kaufte dem Müller und Sägewerksbesitzer Josef Seemann von Aufham die Wasserrechte auf „ewige Zeiten“ ab. Die Isen wurde durch einen „Wuhr“, eine betonierte Wehrmauer, abgesperrt und das Wasser aufgestaut. Ein 2,5 km langer Oberwasserkanal leitete es in einem großen Bogen zuerst nach Osten, dann nach Süden zu einem neu geschaffenen Speicherweiher, dem „Stauweiher“, der mit einem Druckstollen die Verbindung zwischen Verteilungswerk und damit zum Kraftwerk herstellt. Dazu war eine Unterdükerung der Isen (Durchleitung des Kanals unter der Isen) bei Lindloh erforderlich, dort wo man bei niedriger Wasserführung über die Furt trockenen Fußes über die Isen gelangen kann.

Die Ingenieure hatten sich gegen ein Kraftwerk unmittelbar beim Stauwehr an der Isen in Aufham entschieden, weil man sich durch das Gefälle ins Inntal bei Enhofen (22 m) eine viel größere Ausbeute versprach. Wegen der Geländeverhältnisse und zäher Grundstücksverhandlungen erbaute man den Stauweiher auf dem linken Isenufer. Den Grund dafür hatte man dem Kirschner-Bauern abgekauft, „Schrengenlandl“ hieß die Flur.

In Enhofen wurde das Krafthaus erbaut, ausgerüstet mit zwei Turbinen. Eine dritte konnte man bei Bedarf ohne Schwierigkeiten einbauen, so dass dann eine Leistung von 1680 PS erzielt werden konnte.

Für den Abfluss des verbrauchten Wassers, den Unterwasserkanal, bot sich der Aubach an, ein Altwasserarm des Inns. Er mündet nach 2,5 km in die Isen und mit ihr in den Inn.

Das E-Werk musste noch während des Baus wieder gesprengt werden, weil der Beton so schlecht war. Nachts hatten die Leute mit Schubkarren oder dem Fahrradl den Zement weggefahren. Die Sprengung war so heftig, dass sie noch in Enhofen die Scheiben splittern ließ. Ein anderer hatte unten an der Baustelle eine lange Eisenstange gestohlen. Beim Abtransport stieß er an die Freileitung. Er war sofort tot.

„Hunderte von Arbeitern mit Schaufeln, Pickeln und hölzernen Radltragen (Schubkarren), dazu ein einziger dampfbetriebener Bagger gruben und schaufelten das Erdreich aus, allein beim Stauweiher die Riesenmenge von etwa 300.000 m3. Den Aushub transportierten eiserne Rollwagerl ab, gezogen von zwei Bockerln (kleinen Dampflokomotiven.“

Schwierigkeiten mit den Arbeitskräften und ständige Teuerungen hatten den Termin der Bauvollendung, den 1. April 1922, unmöglich gemacht. Durch die Inflation verteuerte sich der Bau sprunghaft fast von Tag zu Tag und warf alle Finanzpläne über den Haufen.

„In der Zwischenzeit graste der Stadtkämmerer (von Mühldorf) ganz Bayern nach Geld ab – der Bau des Kraftwerks verschlang Millionen um Millionen, bis in den Frankenwald hinauf, bis nach Kronach und ins weingesegnete Würzburg unternahm er eine – erfolgreiche – Expedition.“ Die Stadt war gezwungen, „zur Sicherung der aufgenommenen Darlehen ihr ganzes Hab und Gut zu verpfänden. Jetzt erhoben sich immer lauter die Stimmen derjenigen, die es schon von vorneherein gewusst hatten und die es schon immer gesagt hatten. Sie stellten endgültig fest: „An dem Werk geht Mühldorf z’grund!“

5.200.000 Mark waren anfänglich geplant, gekostet hat es am Ende (Inflation!) gut 600 Millionen!

Am 30. Dezember 1922 meldete der Mühldorfer Anzeiger: „Das städtische Elektrizitätswerk kann heute die erlösende Nachricht bringen, dass die neue Starkstromleitung des Isenkraftwerks mit dem heutigen Tag unter Spannung gesetzt wurde.“

Als im November 1923 die Einführung der Rentenmark die wahnsinnige Inflation beendet hatte, konnte man nach Verhandlungen mit den Grundbesitzern den Unterwasserkanal fertig ausbauen. 1936 wurde schließlich die dritte Turbine eingebaut.

Aber die Isen war – wie man eigentlich hätte wissen können – im wahrsten Sinne des Wortes „unberechenbar“. Die ursprünglich sorgfältig berechnete mittlere Wassermenge von 3,4 m3/sec. war nur ein mathematischer Wert. Bei der Schneeschmelze im Frühjahr oder bei stärkeren Niederschlägen war das Isental bis weit hinauf (und hinunter) überschwemmt.

Durch die gleichzeitig einsetzende Isenregulierung floss das Wasser viel schneller ab. Man wollte den Stauweiher vergrößern – aber da kam der Krieg. Firmen, Geld und Arbeitskräfte wurden für „wichtigere Zwecke“ benötigt.

Zudem waren schon weitere Pläne angedacht. In den Inn sollte bei Neuötting (auf Winhöringer Grund!) ein Flusskraftwerk gebaut werden.

Aber als der Krieg vorbei war, tauchten ganz andere Sorgen auf.

Das Isenwasser hatte die betonierten Böschungsplatten des Kanals unterspült, so dass diese abrutschten und das Kanalbett verengten. Im Stauweiher hatten sich viele Sinkstoffe auf dem Grund abgelagert, der Düker war völlig unterspült und konnte einem nächsten Hochwasser nicht mehr Stand halten. In der Nachkriegszeit waren das schier unlösbare Herausforderungen. Seit 1948 baggerte man den Stauweiher aus, im Mai 1949 nahm man den Kanal in Angriff.

Die Probleme nahmen kein Ende.
1952 explodierte ein großes Schwungrad und richtete enorme Gebäudeschäden an. Bei dem Katastrophenhochwasser 1954 brach das Stauwehr.

Es arbeitet noch heute!

Aber man schaffte mit Geduld und Ausdauer alles. Vielen Menschen hat das E-Werk seit dem Bau Arbeit verschafft. In den Folgejahren musste selbstverständlich der Stauweiher wieder ausgebaggert werden, aber das Isenkraftwerk liefert noch immer Strom.

Nach beinahe einem Jahrhundert genügt der im Isenkraftwerk erzeugte Strom natürlich nicht mehr für Winhöring und Mühldorf. Betrug die Eigenerzeugung 1930 noch 99,6% des benötigten Stroms, so waren es 50 Jahre später, 1972, noch rund 13%.

Noch 2004 versorgte das Isenkraftwerk die Gemeinde Winhöring und Teile der Stadt Mühldorf. Mit einer Leistung von knapp 4000 Megawattstunden produzierte es etwa 4% des Stroms, der von über 23.000 Einwohnern verbraucht wurde.

Den Löwenanteil kaufen die Stadtwerke Mühldorf inzwischen vom Stromversorger EON an.

Isenkraftwerk 1922 (aus: Festschrift „50 Jahre Isenkraftwerk“)

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