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Der „Alte Pfarrhof“ in Winhöring – einer der ehemals schönsten Ökonomiepfarrhöfe Bayerns

Einer der „ehemals schönsten Ökonomiepfarrhöfe Bayerns“ – mit diesem Prädikat würdigte ihn Paul Werner 1993 in der Zeitschrift Charivari.

Auch heute noch, oder besser: heute wieder, ist der barocke Pfarrhof ein ortsbildprägendes Schmuckstück im Zentrum von Winhöring.

Winhöring war 800 Jahre in kirchlichem Besitz.

1018 schenkte Kaiser Heinrich II. Winhöring zusammen mit den zwei anderen Orten dem Dompropst von Bamberg zu seinem und seiner Vorfahren Seelenheil“.

Beim Dompropst zu Bamberg blieb Winhöring bis zum Jahre 1554, bis es aus Geldverlegenheiten an den herzoglich bayerischen Kammerrat Georg von Gumppenberg zu Pöttmes und Eurenbach verkauft wurde.

In der Zeit der Zugehörigkeit Winhörings zum Domstift Bamberg stellte dieses für die Pfarrei St. Peter und Paul jeweils einen Vikar für die Seelsorge und die Verwaltung der zugehörigen Güter.

Der letzte Vikar und damit der erste Pfarrer war Lukas Aspeckh, ein gebürtiger Mühldorfer. 1550 als Vikar von Bamberg bestellt, war er dann von 1560 bis 1579 Pfarrer in Winhöring. Die letzten sieben Jahre bis zu seinem Tod verbrachte er in Pleiskirchen.

Ein neuer Pfarrhof muss her!

Der zehnte Pfarrer von Winhöring war Georg Stadler aus Lengenfeld (1703 bis 1732). Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt. 1703 wurde er von Baron Götzengrün auf die Pfarrei Winhöring „präsentiert“. Dass er nicht Pfarrer in irgendeinem Bauerndorf war, dessen war er sich wohl bewusst.

Der Ökonomiepfarrhof grenzte unmittelbar an die schöne gotische Pfarrkirche St. Peter und Paul, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter Verwendung von Bauteilen der alten Kirche errichtet worden war.

Schaute der Pfarrer nach Südwesten, erblickte er das „Herrenhaus“ mit dem Zehentstadel.

Nördlich der Isen erhob sich auf dem gegenüberliegenden Hügel Schloss Frauenbühl der Grafen Törring-Jettenbach. Dort residierte Graf Ignaz Felix zu Törring-Jettenbach (1682-1763). Er war der wohl berühmteste Vertreter dieses Adelsgeschlechtes, seit 1721 nach 80 Jahren Unterbrechung durch den Rückkauf wieder Besitzer von Winhöring.

Nun hatte jener Graf Ignaz Felix im Jahr 1722 begonnen, das Schloss nach dem Geschmack der Zeit, also in prunkvollem, barockem Stil, umgestalten zu lassen.

Pfarrer Stadler konnte vom Pfarrhof aus zusehen, wie die repräsentative neue Schlossanlage entstand, eines „der wohnlichsten und schönsten Schlösser Bayerns“.

Wir haben keine Unterlagen, wie der Pfarrhof damals ausgesehen hat. Jedenfalls wollte Pfarrer Stadler nicht zurückstehen. Er wollte „ebenfalls eine Bleibe mit Türmchen und Arkaden“.

Das Wunder von Winhöring:

„Ein Topf voller Münzen, der gefunden wurde, wie es in der Überlieferung heißt, sicherte seinerzeit die Finanzierung des Baues.“

Mit diesem unerwarteten Geldsegen konnte er im Jahr 1728 seinen Traum Wirklichkeit werden lassen. Es entstand ein schlossartig anmutender Bau im Stil einer Inntaler Hofanlage.

Eine recht treffende Beschreibung findet man von Paul Werner.

„Ein zweistöckiger offener Laubengang mit gedrechselten Holzbalustern bestimmt das Bild. Drei (es sind aber nur zwei!)verschiedenartige Türmchen blicken aus jeweils anderen Richtungen in den stillen, verträumten Innenhof ...

Das Türmchen am Nordgiebel des Westtrakts trägt die knappe lateinische Gründungsinschrift: Pfarrer Georg Stadler hat die gesamte Anlage 1728 neu errichtet.

Der ,neue Pfarrhof‘ war eine gewaltige geschlossene Vierseithofanlage, er enthielt alles, was ein Ökonomiepfarrer in der Blüte der Barockzeit in Bayern so brauchte: Ein nahezu herrschaftliches Wohnhaus mit vielen Schlafzimmern – für den Pfarrherrn, seine Kooperatoren sowie für die Köchin und das übrige Dienstpersonal –, dazu ein besonders prächtiges Prälatenzimmer, große Stallungen mit Heuböden, Wagenremisen, Dienstbotenkammern, Waschküche, Brunnenkammerl und allem sonstigen Zubehör bildeten den Ökonomieteil. Als richtiges Kunstwerk galt schon immer das ,Lavabo‘ am östlichen Ende der oberen Loggia: eine kleine Waschnische aus glasiertem Ton mit dem Bild: ,Jesus und die Samariterin am Jakobsbrunnen‘.“ (Diese Bibelszene bildet auch das Hochaltarblatt der Pfarrkirche.)

Die Pfarrer im neuen Pfarrhof

Dass es nicht nur Georg Stadler, sondern auch den übrigen Pfarrern in diesem edlen Pfarrhof recht behagte, lässt sich annehmen. Über Jahrhunderte hinweg war ja eine Pfarrstelle oft eine Lebensaufgabe.

Josef Bartinger, dem wir das wohlgeordnete Kirchenarchiv in Winhöring zu verdanken haben, hat sich die Mühe gemacht und die Amtszeiten unserer Pfarrer näher untersucht.

Von 1550 bis 1995, also in einem Zeitraum von 445 Jahren, waren nur insgesamt 24 Pfarrer tätig. (Pfarrer Josef Kurz, seit 1995 Pfarrer in Winhöring, ist nicht mitgezählt, weil seine Amtszeit hoffentlich noch länger währt). Die mittlere Amtszeit der 12 Pfarrer, die am längsten hier weilten, errechnete er mit 27,5 Jahren, womit sie eine Amtszeit von 332 Jahren abdecken.

In dem unter Georg Stadler erbauten Pfarrhof lebten insgesamt zwölf Pfarrer:

Der letzte war Prälat Eduard Hohenester, der in dem mittlerweile rund 240 Jahre alten, feuchten und zusehends verfallenden Bau seine Gesundheit eingebüßt hatte. Er bezog dann im Jahre 1968 den „neuen Pfarrhof“.

Das 20. Jahrhundert

Die Patrimonialgerichtsbarkeit, also die Rechtsprechung durch den Grundherrn, endete ebenso wie die Grundherrschaft 1848. Dienste und Abgaben der Bauern an den Grundherrn und die Kirchen fielen jetzt weg, das bäuerliche Nutzungsrecht wurde in Grundeigentum umgewandelt.

In der Zeit, in der Franz Xaver Keilhofer Pfarrer war (1889-1928), ließ Graf Hans Veit III. von Toerring-Jettenbach von der Gräflichen Schlossverwaltung landwirtschaftliche Anwesen aufkaufen und die gesamte Hoffläche aufforsten.

So verschwanden im Holzland um die Jahrhundertwende unter anderem die Anwesen Bach, Moos, Solling, Matzing.

Auf Pfarrer Keilhofer folgte Pfarrer Ludwig Laubner (1928-1949).

Auch er setzte sich zum Wohle der Bevölkerung ein und gründete 1936 in Winhöring die erste Spar- und Darlehenskasse. Die Büroräume wurden zunächst im Pfarrhof untergebracht.

Pfarrer Laubner war der letzte Ökonomiepfarrer, im Zweiten Weltkrieg nicht von Nachteil. Dem Regime stand er allerdings kritisch gegenüber.

So musste er sich Ende April 1945 im „Gunkelkeller“ (Rübenkeller) vor der SS verstecken. Ein französischer Kriegsgefangener soll ihm täglich unter Lebensgefahr etwas zu essen gebracht haben. Der derzeitige Pfarrmesner Johann Salzinger erinnert sich, dass vor der Bodenöffnung mit einer Treppe zu diesem Keller ein Holzstoß auf- geschichtet worden sei, um diese zu verstecken. Das Essen sei ihm an einem Seil hinunter gelassen worden.

Pfarrer Laubner erlitt im Sommer 1949 während einer „Volksmission“ einen Schlaganfall.

Die Nachkriegszeit als Denkmalpfleger

Nahezu 220 Jahre war der Pfarrhof mittlerweile alt, die Zeit war an ihm natürlich nicht spurlos vorübergegangen.

Aber, so Paul Werner, „nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich die Not zunächst als guter Denkmalpfleger: Baulich blieb alles beim Alten.“

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Pfarrhof bewirtschaftet. Danach diente er laut Staatsanzeiger „eine Zeitlang als Flüchtlingsheim und bot dann Platz für einen Gewerbebetrieb.“

Nach Auskunft von Winhöringer Bürgern wohnten in dem Gebäude, in dem heute die Bücherei untergebracht ist, zwei Familien. Im Türmchen des Pfarrhofs war eine Weberei mit Webstuhl tätig. Auch im Pfarrstadel war eine Weberei untergebracht, die sogar ausbildete.

Im September 1949 wurde Eduard Hohenester aus Tüßling zum Pfarrer von Winhöring berufen, in einer schwierigen Zeit.

So ermöglichte er lange Jahre kinderreichen Flüchtlingsfamilien ein erstes Unterkommen im Pfarrhof. Er ließ einen Kindergarten bauen und begründete viele soziale Einrichtungen.

Die Pfarrökonomie hatte er gleich zu Beginn aufgegeben. Er stellte in der Folge Grundstücke zur Verfügung, zum Beispiel für den Schulhausneubau. Wo heute die Schulturnhalle steht und links daneben sich der Parkplatz befindet, war vorher der große Pfarrgarten.

Pfarrer Hohenester engagierte sich in vielfältiger Weise, schuf viele soziale Einrichtungen und Neuerungen im kirchlichen Leben, ließ das alte Beinhaus zu einer Kriegergedächtniskapelle umgestalten, die Pfarrkirche innen und außen restaurieren, ebenso die Feldkirche und das Burger Kircherl.

Viele Ämter und Ehrungen wurden ihm zuteil, unter anderem Dekan, Bischöflicher Geistlicher Rat (Monsignore), 1976 Päpstlicher Ehrenprälat.

Anlässlich seines 40-jährigen Priesterjubiläums wurde er 1976 zum ersten Ehrenbürger Winhörings ernannt.

Der Zahn der Zeit hatte an dem ehrwürdigen Pfarrhaus genagt. Das Gemäuer war feucht geworden, der allmähliche Verfall war nicht mehr zu übersehen. Pfarrer Eduard Hohenester hat darin letztlich seine Gesundheit eingebüßt.

Nach 240 Jahren: Ein neuer Pfarrhof muss her!

Es steht außer Zweifel, dass der Pfarrhof nach so langer Zeit einer gründlichen Renovierung bedurfte und dass Heizung, Sanitäranlagen etc. dem Niveau der Zeit angepasst werden mussten. Es war auch klar, dass das sehr teuer kommen würde. Ein Neubau wurde als wirtchaftlicher ins Auge gefasst.

Paul Werner drückt das so aus:

„Erst in den späten Wirtschaftswunderjahren mit ihrem blindwütigen Fortschritts- eifer nahm man Anstoß an dem mangelhaften Wohnkomfort und der unrentablen Nutzung. Ein rigoroser Umbauplan wird bekannt: Der riesige unnütze Pfarrstadel soll weg, dafür muß endlich ein neues Pfarrhaus in modernem Bungalow-Stil mit Flachdach und Betonbalkon her – anderswo hat man ja auch schon aufgeräumt mit dem ,oid’n Glump‘ ...“

Am 1. April 1968 richtete das Landesamt für Denkmalpflege einen verzweifelten Appell an das Bischöfliche Ordinariat in Passau, den höchstbedeutsamen Pfarrstadel zu erhalten. Es ließe sich „in den Pfarrstadel ein für alle modernen Bedürfnisse ausgestattetes Jugendheim mit Saal einbauen, wofür der an sich zum größten Teil recht gesunde Baubestand sich bestens eignet.“

Alles umsonst!

Der Pfarrstadel wurde abgerissen – sehr zum Befremden des Landeskonservators – und der Pfarrbungalow wurde gebaut.

Dekan Hohenester zog nun in das neue Gebäude mit modernen Sanitäranlagen und Zentralheizung.

Und der alte Pfarrhof?

Er wurde nicht mehr gebraucht, hatte seinen Sinn verloren. Aber die Winhöringer hatten „ihren Pfarrhof“ ins Herz geschlossen und bemühten sich, eine angemessene Wiederbelebung der Gebäude zu finden.

Nach Jahren des Verfalls wurde der Pfarrhof saniert, was nicht zuletzt dem Einsatz des damaligen Kirchenpflegers Hans Eberl zu verdanken ist.

Die Sanierungskosten wurden auf nicht aufzubringende 4,5 Millionen DM geschätzt. Dank vieler Spenden und die Arbeit vieler freiwilliger Helfer war es möglich, die Kosten auf 1,2 Millionen DM zu senken.

1991 wurde der Südteil des Westtraktes, der ehemals als Stallung gedient hatte, mit den darüber liegenden Gesinderäumen zu einer Pfarr- und Gemeindebücherei umgebaut.

Der anschließende ehemalige Stalltrakt beherbergt jetzt im Erdgeschoß den Pfarrsaal, im ersten Stock sind die Räume ebenfalls sinnvoll genutzt, vor allem für das Pfarrarchiv.

Auch in das Pfarrwohnhaus ist wieder Leben eingekehrt. Das altehrwürdige Gemäuer präsentiert sich jetzt auch wieder von seiner besten Seite, genutzt von den Pfadfindern, Jugend- und Musikgruppen und Vereinen.

Der „Alte Pfarrhof“, wie er jetzt offiziell genannt wird, ist wieder ein ansehnliches Vorzeigeobjekt im Zentrum von Winhöring und die Winhöringer sind stolz auf ihn. Das neue Pfarrwohnhaus verbirgt sich inzwischen für den Betrachter weitgehend hinter Bäumen.

 

Der 1995/96 renovierte „Alte Pfarrhof“ (Foto: Strauß, Altötting)
Pfarrer Georg Stadler, Gemälde im Vorraum zum Pfarrsaal (Foto: Edwin Meinitz)
Gründungsinschrift am Türmchen, Nordgiebel des West- trakts (Foto: Edwin Meinitz)
Blick in den Pfarrhof um 1930 (Foto: Edmund Schriefer)
Pfarrer Franz Keilhofer, Gemälde im Pfarr- archiv (Foto: Edwin Meinitz) Pfarrer Ludwig Laubner, Gemälde im Pfarr- archiv (Foto: Edwin Meinitz)
Die beiden Türmchen (Foto: Georg Moser) Lavabo in der oberen Loggia (Foto: Edwin Meinitz)
Geistl. Rat Eduard Hohenester, Gemälde im Pfarrsaal (Foto: Edwin Meinitz)
Der Pfarrhof 1957, vor dem Umbau – Vordergrund links: nördl. Teil des Pfarrgartens mit Gartenhaus, nach dem 2. Weltkrieg Jugendheim; beseitigt für Bau der Schulturnhalle; Mitte: altes Pfarrwohnhaus, Dachziegel noch mit Kreuzzeichen; Mitte rechts: alter Pfarrstadel und Hoftor, beides abgerissen für Neubau (Foto: Heinz Poschmann
Bücherei im Südteil des Westtrakts (Foto Strauß, Altötting)
Blick auf den Pfarrgarten 1957, vor dem Umbau – links: Schulhaus, vorne: Kindergarten; hinten: Pfarrgarten mit zwei Türmchen im Süden (noch erhalten) und Gartenhaus (Foto: Heinz Poschmann)

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